Kontext Baouan: Interview Slow Bear – “unseren Instinkten wieder mehr vertrauen lernen”

Am Vorabend der Ausgabe von 'Message from the West' führt ein umfassendes Gespräch mit Slow Bear uns, beim Durchgehen seiner zahlreichen künstlerischen Leistungen, unter anderem an den unergründlichsten Tiefen woraus Kreation entsteht, der Interaktion zwischen Text und Musik, und dem Heil das er von Kunst als sozialen Macht erwartet um zerstörte spirituelle Verbindungen zu beheben, entlang. Nach einem beunruhigenden Pfad als Gitarrist-Songwriter von Grant Moff Tarkin, wovon der Hauptweg sich im Laufe der ersten Dekade dieses Jahrhunderts schlängelete, schwamm Antreiber Huddie inzwischen auch durch viele Gewässer unter seinem, anfänglich als Solo-projekt ins Leben gerufen, neuen Künstlername. Auf seinem jüngsten Wurf, abermals einem produktionellen Zusammenarbeit mit Katie Alice Greer, demonstriert eine Kollektion trickreich verstohlen geniale Songs die treiben auf faszinierenden Texten, catchy hooks und grellen Schaffung der Atmosphäre, dass Slow Bears kreative Welle noch gar nicht getrocknet ist. Das Endergebnis ist allerdings schon wieder eine inspirierte, gleichzeitig gut ins Ohr passende und charakterstarke LP, wodurch die Partnerschaft mit der ehemaligen Galionsfigur von Priests zum zweiten Mal ein Schuss ins Schwarze ist. Ein anfängendes Gesprächsthema liegt daher auf der Hand.

 

Durch eine Partnerschaft ein zu gehen mit Katie Alice Greer machtest du vor einigen Jahren eine originale und eigenwillige Entschiedung. Wie wurdet die auf den ersten blick sicherlich die Fantasie anregende Kooperation eigentlich gegründet?

An sich entsprang das sehr praktisch und logisch aus der Situation des Augenblicks: im COVID Zeitraum lag die Live-Musikszene weltweit fast komplett still und viele Musiker konfrontierten einen Überschuss an Zeit. Also auch Katie, wer auf Instagram meldete dass sie offen war für neue musikalische Projekte die damals jedoch noch stat finden könnten, wie Produktion- und Studioarbeit. Ich suchte genau in diesem Moment nach jemanden um die Aufnahmen die ich zu Hause am abschließen war, zu mixen, und obendrein war (und bin) ich ein grosser Fan von Priests. Deshalb habe ich ihr einfach eine Meldung geschickt. Damals kennten wir einander also noch nicht persönlich. In meiner erste Kommunikation gab ich sofort an dass ich nicht notwendig jemanden suchte der jederzeit und überall innerhalb der geltenden Konventionen bleibt, aber eher eine Persönlichkeit die ihre eigene Identität mitbringen könnte. Oftmals stellt es sich als falsch – manchmal sogar total erbärmlich – heraus wenn ein Tontechniker sein Zeichen setzt, aber ich dachte dass ich es ihr doch fragen könnte, denn ich, basierend auf ihrer bisheriger Arbeit womit ich vertraut war, den größten Glaube hatte dass es mit Katie erfolgreich sein könnte. Meinem Anfühlen und meiner aus der Ferne gebildeter Meinung nach verfügt sie nämlich über ein musikalisches Gehirn das total interessant funktioniert. Während der entgültigen Verarbeitung von 'Breathe Huddie Breathe' zeigte es sich fast sofort dass ich mich nicht geirrt hatte. Bald wurde klar dass ihre Arbeitsweise genau passte zu meinen Liedern. Schließlich kann man alles als eine gute Kombination von Umständen ansehen. Wir mussten ebenso nie endlose online Treffen abhalten. Wir vereinbarten jedoch bei Gelegenheit einen Termin auf Skype, und schickten regelmäßig E-Mails mit Notizen und Anmerkungen bezüglich unseren Sichtweisen hin und her. Jedes Mal wenn sie ein vorläufiges Ergebnis übertragte hatte ich da ein gutes Gefühl bei, und wenn ich dann gelegentlich kleine Korrekturen angab, hat sie sie wiederum gleich verstanden. Deswegen war es eigentlich nie benötigt intensiv Kontakt zu halten, und das ist eine gute Sache, denn es bedeutet dass sie ein exzellentes Gefühl hat hinsichtlich der produktionellen Möglichkeiten der eingereichten Musik.

Bist du damit einverstanden dass auf dem soeben benennten, aus 2022 stammenden 'Breathe Huddie Breathe' ihr Einfluss expliziter hervortretet als auf der neuen Schallplatte?

Ohne in der Nähe von standardisiert zu kommen, färbt diese letzte technisch sicherlich etwas mehr innerhalb der Linien. Dass ich die Songs die darauf stehen viel früher schrieb als diese von 'Message from the West' kann dafür wirklich zum Teil verantwortlich sein. Katie besitzt auf jeden Fall die Flexibilität um das vorgelegte Material zu berücksichtigen und den Mix ab zu stimmen auf der Anforderung des Gesamtbildes. In viele dieser älteren Songs findet überhaupt mehr statt in der Gitarre, so dass sie sich vielleicht dafür entschieden hat diese so schön wie möglich darauf an zu setzen. Dazu kommt noch dass sie selbst noch wachsende ist im Metier. Sie ist noch ziemlich jung und war lange Zeit selbst hauptsächlich beschäftigt mit singen und komponieren. Wenn man etwas anfängt und die Sachen mit einem ganz empfänglichen Geist nähert, steht man im Algemeinen mehr offen für Experiment und kommt man schneller auf etwas unorthodoxes, wie ich an meinem Debüt 'Pale Morning Fades'. Qualitativ gesehen sind beide Alben mir indessen komplett gleichwertig. Nach dieser ersten Mitarbeit habe ich übrigens oft darüber nachgedacht wie Katie es ein nächses Mal angehen würde – und das tue ich momentan eigentlich schon wieder – und immer komme ich zum Schluss dass ich gar keine Ahnung habe. Bisher unterscheiden alle meine CDs sich in erheblichem Maße von einander, jede mit seiner eigenen spezifischen Atmosphäre. Das mag ich einfach lieber als einzig eine Weise von Arbeiten weiterführen und vertiefen, denn dann beginnt man Platten zu erstellen die einander zu viel ähneln gehen. Natürlich ist das möglich, aber persönlich bevorzuge ich eine herausfordendere Strecke.

 

Während du beim Gründen von Slow Bear ursprünglich alle Instrumente selbst spielte, und später regelmäßig mit Gastmusikern arbeitete, scheinst du auf 'Message from the West' erstmals wieder einen fixen Kern Mitglieder rundum dich gesammelt zu haben. War das eventuell auch beteiligt am Raum der verblieb für das Mixen.

Ganz bestimmt. Ich glaube dass man den Rolle von Basement C in 'Message from the West' nicht geringschätzen darf. Zusammen mit Veronica Mendez Muños (jeder für etwa die Hälfte) war er auf 'Breathe Huddie Breathe' auch schon verantwörtlich für die Basslinien. Beide funktionierten zwar in der Eigenschaft von Gastmusiker wobei ihre Parts da nachträglich untergestellt wurden. Diesmal haben wir den Bass und die Grundgitarre zusammen, live eingespielt, und das definiert den Gesamtklang doch schon in gewissem Umfang. Perkussionerin Fast Cat hat sich inzwischen auch entwickelt zu einem festen Sammelkläger. Ihre unterstützende Rhythmen sind jedoch später aufgenohmen, aber live spielt sie bereits immer mit, und da sieht man auch dass es zu etwas organisches hinwächst. Erneut mit fixen Mitgliedern arbeiten habe ich lange, ob oder nicht bewusst, zurückgehalten um mich selbst ein wenig zu schützen vor den Frustrationen die unvermeidlich auftauchen wann man damit anfangen soll Leute zu dringen um in bestimmten Zeitabständen zu erscheinen. Gerade entwickelt es sich doch wieder natürlich zu einem richtigen Bandgefühl, denn sie immer da sind wenn wir auftreten oder proben gehen, also faktisch gestalten wir doch zurück sozusagen eine feste Combo. Außerdem möchte ich nichts mehr als Akkordeonist Udo van Roosbroeck auch einen dauerhaften Mitglieder nennen, nur ist das leider ziemlich kompliziert weil er zusätzlich immer noch voll beschäftigt ist mit seinen eigenen Projekten wie Granola Import, und infolge nicht immer Zeit sparen kann. Wenn man sich den Sound anhört den wir zu viert hinlegen, passt das so gut zusammen und verschmilzt alles so schön, dass es fast ist als ob es so sein muss, selbst wenn es also keine typische Rockbesetzung ist. Ich erinnere mich dass das erste Mal Basement, Udo und ich zusammen spielten – nachdem ich mit beiden schon oft individuell gespielt hatte – eine wahre Offenbahrung war. Man weiß im Algemeinen mehr oder weniger was man im Kopf hat, aber wenn es dann auch tatsächlich statt findet und sogar die Erwartungen wesentlich übertreffen kann, bringt das eine unverkennbare Aha-Erlebnis mit sich. Jetzt mit Fast Cat entwickelt sich das genau so. Und dann bleibt schließlich nur Julax Johnson übrig als einige, eigentliche Gastmusiker auf der Platte. Seit wir in der Vergangenheit langwierig und intensiv zusammengearbeitet haben, war es selbstverständlich äußerst besonders, umso mehr als sie gerade Backings singt auf Liedern wovon sie damals die Hauptstimme übernam. Sie nach all den Jahren wiedermals auf einer Aufnahme zu hören, hat mich sicherlich getroffen. Außerdem endete so immerhin auch drei viertel des originalen Grant Moff Tarkins auf der CD.

Angesichts der Tatsache dass – trotz der Chronologie der Veröffentlichung - 'Breathe Huddie Breathe' im Algemeinen neuere Songs enthaltet als 'Message from the West', scheint es wie dein Gitarrenstil sich mit der Zeit in gewissem Maße weiterentwickelt hat zu minimalistischer und mehr rhythmisch ausgerichtet, und dann kommt mir spontan Manu Chaos Solomaterial in den Sinn.

Mein Gitarrenspiel und meine Idee von dem Rolle dieses Instrumentes im musikalischen Gesamtpaket haben sich im Laufe der Jahre auch sehr geändert. In der Zeit wenn ich erstmals eine Gitarre fest hielt, hörte ich zu total alter Bluesmusik, und das hat seinen Einfluss ausgeübt. Meine Vorstellung war dass ich mich erst darum kümmern musste, alles auf einer Folkgitarre zu schaffen und dass es danach auch auf einer elektrischen gelingen wurde. Rückblickend glaube ich da wesentlich von profitiert zu haben, dass es lange gedauert hat ehe ich elektrisch spielen gang, denn ich so von Anfang an gezwungen war mich zu konzentrieren auf meinem rechten Hand, insbesondere meinem Angriff. Als Einsteiger ist es namentlich nicht selbstverständlich um auf einer Folkgitarre allzu viele Höhenflüge hervor zu zaubern. Ich habe dann Akkorde spielen gelernt und gleichzeitig analysiert und versucht Einblick zu erwinnen in wie meine favorisierte Bluesmusiker - darunter Skip James, Mississippi John Hurt und Reverend Robert Wilkins - damit umgangen. Wenn man ohne Plektrum mit Daumen und Zeigefinger die Bassnoten kombiniert mit einer Melodie, erreicht man mit nur Grundakkorden schon sehr viel. Und wenn ich also später elektische Gitarre spielen anfang, begann ich mehr Tonleidern usw. zu üben weil ich auch ja solos spielen wollte. Ich habe dann, als in diesem Moment Musiktheoretischer Laie, herausgefunden welche Noten in welchen Akkorden waren und wie das alles zusammenkam (wo ich, zum Beispiel, immer eine bestimmte Note auf dem Hals spielen konnte) wodurch meine Parts etwas komplizierter wurden. Inzwischen, und ich weiß nicht ob es etwas damit zu tun hat dass ich nicht länger in einer traditionellen Rocksetzung spiele, bin ich allerdings mehr und mehr der Meinung dass die größte Stärke in Simplizität liegt, und kehre ich bewusst zurück nach die Akkorde als Grundbausteine worauf sich die ganze Konstruktion stützen muss. Es ist nämlich im Text und in der Melodie dass man es verwirklichen soll.

Die Herausforderung liegt darin, immer wieder interessante Gesangslinien zu finden. Schließlich liegt die Haubtmelodie im Leadgesang, und die Akkorde sollen ein Rhythmus darlegen. Statt zu komplizierter bewege ich deutlich zu schlichter. Man darf sich insbesondere nicht schon gerade einlassen mit Schnickschnack, bevor es ein Wesen gibt, denn dann könntet man mal verbleiben mit einem zwar schönen doch leeren Karton. Sobald das notwendige Herzstück jedoch da ist, kann man klar weiter dekorieren gehen, solange es einen Mehrwert, eine Art von extra Push, bietet. In meinen Augen – und eigentlich war ich immer schon dieser Meinung – soll, kurzum, ein Song auch ganz abgestreift erhalten bleiben. Auf meinen Releases habe ich diese Grundlage stets nachgefärbt, während es manchmal auch eine direkte Power hat wenn man das nicht tut, und das nahm dann – besonders in jenen frühen Tagen – Gestalt an in meinem Live-Ansatz. Ik performte einige Male auf dem Radio, unter anderem bei Radio Scorpio und Radio Internazionale, wovon auch Live-Aufnahmen an Soundcloud stehen, und genau für die ungeschliffene Energie höre ich diese auch gern zurück. Songs sollen für mich sowieso auch in einer abgespeckten Fassung absolut solide sein, und selbst schreibe ich lieber keine Lieder im Arrangement. Ich sehe es allzu viele auftreten in Musik dass es mehr Arrangement gibt als Song, und davon bin ich kein großer Anhänger.

In der bildenden Kunst sieht man dieser Gedankengang übrigens häufiger Fuß fassen. Ich verstehe mehr und mehr warum zum Beispiel Mondriaan zurück griff auf eine Basis von Linien und Farbfeldern, und dass das nicht zufällich geschah. Man soll namentlich zuerst die komplexesten Techniken meistern um dann zum Kern der Sache zu kommen. Picasso gang im übrigen dürch eine vergleichbare Entwicklung. In der Musik wird es allerdings nicht so schell akzeptiert um zunehmend minimalistischer zu gehen, weil man das manchmal betrachtet als ein Mangel an Fähigkeiten. Trotzdem glaube ich dass ich bis zu einem gewissen Grad wohl dazu neige; ausschließlich kenne ich wenige Musiker in meiner Umgebung die die gleiche Evolution erleben. Die meisten gehen dagegen andersherum vor. Je mehr sie herausfinden über Musik, desto komplexer sie alles zusammenstellen, mit der Folge dass der Fokus eher auf dem Arrangement liegt als auf der Essenz des Songs; und da möchte ich persönlich lieber nicht mitmachen. Diesen ganzen Denkprozess den meine Ansichten zu dem Rolle der Gitarre durchlief, kann man also sicherlich als Blaupause auf meinem Songwriting legen. 'Breathe Huddie Breathe' besteht vollständig aus Lieder die ich (Text und Musik) im Jahr vor dem Beginn der Aufnahmen geschrieben hatte, es war, glaube ich, kurz vor oder anlässlich COVID, während mindestens die Hälfte der Stücke von 'Message from the West', ausgenommen des Textes, stammen aus meiner Zeit in Grant Moff Tarkin. Die Melodie von 'Betting on a Horse', zum Beispiel, hatte ich damals schon bedacht, und auch 'Hippie Hustle', 'Holy Grounds' und 'Rusty James' gehen zu dieser Periode zurück. Also diesbezüglich unterscheiden beide CDs sich jedoch von einander, obwohl sie, rein aus praktischer Sicht, auf die gleiche Weise mit Katie bearbeitet sind.

Das alles ändert nichts daran, dass Atmosphärenbildung auf jeder deiner Platten einen prominenten Platz einnimmt. Wenn ich mir 'Message from the West' anhöre, würde ich die, sowohl textlich als musikalisch, beschreiben als eine Spanne wobei das eine Bein in der Realität verankert ist und das andere Liebäugelt nach unbekanntem und unerklärbarem Terrain.

Das liegt zum Teil daran dass ich meine Texte gerade auch mehr auf diese Weise schreibe. Ich fange an mit etwas Konkretem worüber ich mehr oder weniger narrativ reden möchte, und danach – und oft merke ich das erst hinterher – schweife ich da ausnahmslos von ab. Ich lasse es dahingestellt ob es mir ja langweilig ist oder dass ich einfach nicht gut darin bin, aber ein ganzes Lied schreiben über ein einziges, abgegrenztes Thema passt überhaupt nicht zu mir. Ich glaube dass ich das zu restriktiv finde. Die Geschichte geht deshalb rasch in unterschiedliche Richtungen die ich nicht vorher ausgedacht hatte, und so komme ich auf für mich unerwartetes Gelände. Wann immer das vorkommt, lasse ich mich mit Vergnügen selbst überraschen von den Wendungen. Insbesondere in 'Betting on a Horse' war das sehr wohl der Fall. Es beginnt total konventionell mit dem Wetten auf ein Pferd, worauf der Fokus sich dann verlagert auf den Trainer des Pferdes, um anschießlich zu enden mit einigen meiner Bekannten und bestimmte Erkentnisse die sie mir vermittelt haben. Das finde ich viel interessanter als einen ganzen Text lang fortsetzen wie es wäre so ich auf dem Ergebnis von Pferderennen zocken würde. Mir ist das eigentlich der Weg um aus dem Oberflächliche etwas Tieferes zu destillieren und dann lasse ich das Unerwartete gerne der Oberhand gewinnen, meistens ohne dass ich weiß wo das Schiff anlegen wird. Und faktisch kann man eine Parallele ziehen zur Musik. Zuerst fangen wir an die Basis auf zu nehmen, nähmlich eine akustische Gitarre, ein Bass und eine Stimme, und auf diesen Grundlagen starte ich dann zu experimentieren mit extra Instrumenten und Gesang nach ungezügelter Inspiration die ggf frei ist zu entgleisen, und dann weiß ich auch nie genau wozu das führen wird. Bei 'I Came in through the Back' dachte ich wohl dass eine elektrische Gitarre dazu passen würde und ließ ich die Akkordenfolge langanhaltend, repetitiv weitergehen von der Idee das ausblenden zu lassen, aber plötzlich erfand ich ein dazugehöriges Solo die auf eine abstrakte Weise die Lyrics fortsetzte, und diese ist letztendlich auf der CD gelandet ohne dass ich im voraus dazu hinarbeiten dachte.

 

Während wir doch mal über die Atmosphäre reden; stimmst du zu diese auf 'Breathe Huddie Breathe' als ominös zu umschreiben?

Katie hat alle Arten von Elektronik darin eingebracht; beats und andere Geräusche von denen ich selbst sogar nicht immer weiß woher sie die hat vorgeholt. Sie stellt zudem stets die Stimme vorne im auditiven Raum, was ich übrigens voll und ganz unterstütze, und sie hört den Texten aufmerksam zu, worauf sie den Mix versucht abzustimmen, und dann kann man die Platte sogar fast – der Titel sagt es schon – als ein Konzeptalbum sehen über Panikattacken und Angst; vor allem das letzte Lied handelt explizit davon. Katie war darin sehr erfolgreich der Inhalt der Texten um zu setzen in eine bedrückende Musikatmosphäre. Bei der neuen CD geht es, wie gesagt, hingegen mehr um obskure und befremdliche Dinge die ich beobachte oder worüber ich nachdenke.

Oft sieht man dass Songwriter eher zögerlich sein um konkrete Erläuterungen zu liefern zu den Texten. Falls das für dich nicht geltet, willst du dann vielleicht mal verdeutlichen worauf die “heavy shapes” aus dem gleichnamigen Lied sich beziehen?

Damit habe ich kein Problem, weil ich nur angeben kann was sie für mich bedeuten, und jemand anderes darf es sicherlich anders auslegen. Mir selbst sind sie nämlich auch unterschiedlich interpretierbar. Im zitierten Fall ist es aus persönlicher Sicht jedoch mehr oder weniger deutlich, aber im Allgemeinen ist das doch eher die Ausnahme als die Regel. Hier handelt es darum dass Menschen einen inneren Kern haben der unabhängig ist von ihrem Aussehen, und das ist der Heavy Shape. Konkret in dieses Lyrics geht es um ein kleines Mädchen das eine schwere Last mit sich trägt und sie ist dann kontrastiert mit den Rockabillies die das nicht erkennen und die versuchen sie zu bedrohen und abzuschrecken. Ihre Mutter probiert sie dann zu beruhigen und davon zu überzeugen dass sie keine Angst haben soll weil sie selbst eine viel massivere, solide Energie in sich hat. Es bezieht sich also auf die stille Macht die in einem kleinen Wesen möglicherweise mehr vorhanden ist als in einer imposanten Figur mit einer Lederjacke und einer Kette.

Und wie sollen wir den Titel 'Message from the West' verstehen?

Der Westen ist zumindest kein Verweis auf die USA und Europa. Die Idee kam mir aus Williams S. Burroughs' Roman 'The Western Lands' worin man es interpretieren kann als das Geisterreich wo die Protagonisten, je mehr sie sich darin verlieren, desto mehr konfrontiert werden mit bizarren Angelegenheiten. 'Message from the West' ist übrigens auch ein Songtitel von einem Lied das nicht auf der CD gelandet ist. Es geht darum dass ein Unbekannter in einem Dorf ankommt aus dem Westen, und niemand Weiß was man wirklich von ihm halten soll. Er scheint immerhin gleichzeitig gesegent und verflucht zu sein. So schnell wie er kam ist er auch wieder verschwunden, die Bewohner, ohne dass sie es völlig merken, hinterlassend mit einem Eindruck von der Welt auf der anderen Seite...

 


Lass uns mal wiederkehren zum Anfängen. Dass dein Debütalbum aus dem Jahr 2015 stammt, bedeutet vermutlich dass du inzwischen seit etwa zehn Jahren damit beschäftigt bist?

Stimmt. In 2014 rief ich Slow Bear ins Leben.

In diesem Beginn operiertete du noch ganz alleine.

Auftritte machte ich damals immer solo, und alles was man auf meine erste Kassettenfreigabe hört habe ich tatsächlich selbst eingespielt und größtenteils auch aufgenommen.

Obwohl sporadisch ein Klavier und hier und da eine Mundharmonika auftauchen, würde ich es in Bezug auf das Genre alles in allem eine Gitarplatte nennen.

Dem kann ich auf jeden Fall zustimmen. Meine beliebteste Stücke die darauf stehen, sind sogar die worauf ich ein Solo spiele. Es ist eigentlich eine dauerhafte, ausgearbeitete CD mit vielen Soundscapes die gegen Ende auch etwas experimentell werden. Dann denke ich zum Beispiel an 'Little Drifter Miss', das ein akustischer Song ist den ich mit einem alten Diktiergerät aufgenommen habe und wobei ich nachträglich eine ungepflegte Gitarrenwand gesetzt habe, und an 'Holding a Dwarf' das auch niederschlägt in einem langen, expandierenden Klangteppich. 

 


Der primitive, knisternde Sound liegt fast nahe an den Fieldrecordings die Alan Lomax in der Mitte des letzten Jahrhunderts machte von amerikanischer Volksmusik.

Mir klingt diesen erkennbaren, ein wenig Sehnsucht ausatmenden Klang also sehr schön und charakterstark im Ohr. Nachher vernahm ich zwar von manchen Leuten das nicht Jeder das genauso wunderbar fand um anzuhören, und habe ich gelegentlich den Kommentar bekommen dass die Lieder wirklich gut waren, aber dass der Sound ein ungemütliches Gefühl bewirktete.

Das ist doch einigermaßen verständlich. Es ist super stimmungsvoll und intens, aber klar bedrückend stimmungsvoll, irgendwie als Mark Lanegans Song 'The Winding Sheet' der zuweilen fast eine Gothic-Horror-Atmosphäre aus dem 19. Jahrhundert ausstrahlt.

Was ich im Sinn hatte neigte sich eigentlich eher zum Oeuvre von Daniel Johnson und zu John Frusciantes erster Soloplatte 'Niandra Lades'. Ich verstehe dennoch was du meinst. Das interessante an einer Kassette ist dass sie den Klang sehr schmal macht. Während Techniker sich in einem Studio darum kümmern dass man das gesamte Spektrum der Schallwellen deckt, funktionierte das Diktiergerät mit dem ich damals aufnahm dagegen innerhalb einer sehr engen Frequenz. Die geschnittene Soundwelle ist also wörtlich auch beklemmend und diese schafft dann die Atmosphäre. Für spätere CDs habe ich noch ein paar Mal Stücke auf Kassette aufgenommen, aber Katie bat dann doch immer um anders mit der Stimme umzugehen, genau weil sie es zu restriktiv fand um damit los zu gehen. Und dann folgte ich sie hierin. Für die erste Kassette dachte ich es jedoch geeignet, und ich unterstütze das immer noch voll und ganz, weil die Songs es gebrauchen könnten, oder es sogar benötigten. Das waren – schon damals - Lieder die ich bereits zwanzig Jahren davor geschrieben hatte in dem Moment als ich gerade erst angefangen hatte Musik zu machen. Jetzt, da es endlich dazu kam sie auf Platte zu legen, versuchte ich dann auch die Atmosphäre anzunähern der Periode worin sie entstanden sind. Ich war damals noch sehr jung und fühlte mich nicht immer ganz wohl in meiner Haut, und ich saß einfach zu Hause in meinem Zimmer diese Parts zu spielen und auf zu nehmen mit meinem Kassettenrekorder voller Rauschen. Es ist auch eine Art von Musik die man ab einem bestimmten Alter nicht mehr schreiben kann. Man besitzt dann eine gewisse Intensität die später vielleicht nicht mehr die gleiche Tiefe hat oder sich immer doch anders anfühlt, obwohl ich davon überhaupt nicht ganz sicher bin. Wenn ich in die Zukunft schaue, sehe ich es trotzdem definitiv wieder passieren dass ich auf Kassetten aufnehme.

Und jetzt, nebenbei bemerkt, wo wir auf die Vergangenheit zurückblicken, fällt mir übrigens gleich auf dass ich in dieser ganzen Zeitspanne schließlich nur drei Platten – plus zwar bald eine vierte die unterwegs ist – veröffentlicht habe, und eigentlich finde ich das viel zu wenig, vor allem da ich noch so vieles Material liegen habe. Ich kann nicht genau erklären warum das so ist... 

 

Es scheint mir dass es doch mehr Aufnahmen gibt als deine offizielle Ausgabe nahe legt. Wenn man online sucht, stößt man schon schnell auf den Videoclip von 'Normandy and Me', das ebenfalls aus 2015 stammt und das weder auf die erste Kasseterelease noch auf eines deiner spätere Albums steht. Wie ist das so passiert?

Gleich nach dem Inverkehrbringen von 'Pale Morning Fades' begegnete ich (bildender Künstler) Bram Debraekeleer, und er riet mir seinen ehemaligen Kommilitonen und guten Freund, Filmemacher David Vandeweyer, zu kontaktieren, weil er davon überzeugt war dass wir uns, sowohl auf persönlicher als auch auf künstlerischer Ebene, gut verstehen würden. Das stellte sich übrigens ganz so heraus. Ich habe ihn anschließend nämlich mal angerufen und nur basierend auf diesem Gespräch haben wir uns ohne Zögern dafür entschieden ein Video zu herstellen. In diesem Moment war ich bereits mit Christophe Vandewoude eine Folgeplatte am aufnehmen bei mir zu Hause, worauf Lieder sein würden die jetzt immer noch in der Schublade unten bleiben. Der Plan war damals, einige meiner längeren Songs zu bündeln, und 'Normandy and Me' war ein Teil davon. Wir hatten also in meinem Wohnzimmer etliche Lieder festgelegt, mit denen ich letztendlich nichts gemacht habe, denn ich beim Zuhören nicht immer ganz zufrieden war von der Art wie ich sie gesungen hatte. Dabei handelte es sich auch um Material, dessen Texte mir sehr gut gefielen und diese wollte ich in den Vordergrund stellen. Darum dachte ich dass es ein bisschen Verschwendung wäre sie herauszubringen in einer Version die ich nicht vollständig unterstützte. 'Normandy and Me' entging allerdings meinem kritischen Blick; da war ich jedoch zufrieden mit. Dass ich beim Auftreten gemerkt hatte dass dieser Song immer eine erhebliche Wirkung schien zu haben auf das Publikum spielte zudem auch eine Rolle. Wenn ich mir tatsächlich die Mühe machen werde ein Video zu schaffen, dann nehme ich am liebsten ein Lied das live viel Resonanz bekommt.

Christophe hat eine sehr Lo-Fi Weise von mixen, was ich an sich gut finde, aber die vielleicht ein wenig kollidieren könnte mit der Art von epischem Clip den David und ich damals im Sinn hatten, und ich fürchte dass die Version die wir hatten möglicherweise nicht zu diesem Zweck passen würde. Ich wollte dafür doch eine etwas klarere Klangqualität, und daher bin ich nach Studiotechniker JRA gegehen für einen neuen Gitarre- und Gesangspart. Das einige Problem das auftrat war dass Gitarre und Gesang separat aufgenommen wurden und ich fand diesen letzten verbesserungsfähig, da es mir eher schon aufgefallen war dass ich zu Overacting neige wenn ich isoliert singe. Und meistens gefällt das Ergebniss mir dann nicht ganz. Deshalb bin ich mit den Aufnahmen schon wieder zu Christophe gegangen und er war der gleichen Meinung dass eine Verbesserung durchführbar war, und dann haben wir die Stimmen bei mir zu Hause nochmals gemacht wobei ich – um es so natürlich wie möglich zu halten – eine Gitarre mitspielte die nicht registriert wurde. So ist es ein eigenständiger Song geworden der eigentlich bestimmt war auf eine Platte zu kommen die sich nie realisiert hatte, aber die eigentlich 'The Slow Bear Awakens' heißen würde, und das wäre dann mein zweites Album gewesen.

Schließlich ist der Clip nur ein Tropfen auf eine heiße Platte, denn deine Songwriting-Produktivität immer noch viel höher ist als die auf einem Träger aufgezeichnete Leistung vermuten lässt.

Bestimmt. Das ist eigentlich die Geschichte meiner ganzen Karriere als Songwriter und Musiker. Bei Grant Moff Tarkin war das auch schon so. Wir hatten riesig viel Material und dessen ist nur ein Bruchteil herausgebracht, mit nur einer EP und drei full CDs in zehn Jahren. Also, aus irgendeinem Grund, passt der Aufnamevorgang mir nicht sehr, bedenke ich dann.

Könnte es sein dass du selbst dein größter Kritiker bist? Der Song rausbringen reicht dir nicht aus, dies stellt namentlich hohe Ansprüche an dich. Kannst du beispielweise afweichen von den Vorschlägen die du im Voraus im Kopf hast?

Ich glaube tatsächlich dass ich meiner eigenen Arbeit sehr kritisch gegenüber stehe, und wahrscheinlich fällt es mir auch etwas schwer nach den Aufnahmen alles auszuhängigen, aber ich habe vorher durchaus kein imaginäres Endergebnis im Sinn an dem ich um jeden Preis festhalten werde. Anderseits halte ich es sogar für notwendig, dass die Möglichkeit der Überraschung weiterhin bestehen bleibt. Deshalb bin ich gerade von der Zusammenarbeit mit Katie so zufrieden. Sie bringt nämlich oft sehr originelle Einblicke ins Spiel die eine neue Perspektive eröffnen, und meistens finde ich das dann ein Mehrwert. Ich habe sowieso keine konkrete Vorstellung davon, wie es klingen soll, aber ich weiß welchen Ausdruckswert es haben sollte. Und hier liegt dann häufig das Problem, denn man nicht einfach definieren kann, was das genau ist. Es hat allenfalls nicht unbedingt mit der Klangqualität zu tun. Es hängt von einer Kombination von Umständen ab, wie der Weise von einspielen, dem gewählten begleitenden Part, dem Gesamtklang,... und da kann ich mir vielleicht etwas zu stark an klammern. Deswegen habe ich eigentlich schon viele Aufnahmen gemacht die letztendlich nicht zu einer Release geführt haben. Mit Christophe Vandewoude habe ich sogar schon zwei Alben aufgenommen die nie veröfftlicht wurden, weil ich dann oft dachte dass ich manche Teile besser einspielen könnte, aber wenn ich das daher machte beeinflusste das wiederum die Atmosphäre in der ich mich nicht mehr wohl fühlte, und konnte ich es nicht direkt korrigieren in etwas das es (meiner Meinung nach) wert war, veröffentlicht zu werden.

Soll deine Musik, abgesehen von den Text, überhaupt eine Bedeutung vermitteln?

Genau darum ist es so schwierig. Man hat einen Sound den man hinüberbringen will, und ebenfalls einen Text, und sonst soll es Charakter und Identität ausstrahlen. Es darf also nicht gänzlich zu rein klingen, aber gleichzeitig muss es mir auch nicht ständig Lo-Fi sein. Ich finde den emotionalen Wert davon an sich sehr gut, doch es kann auch bald zu viel werden. 

 


In einem der Lyrics zu 'Pale Morning Fades' wird auf Samuel Taylor Coleridge verwiesen; in spätere Arbeiten kommen unter anderem auch Karl May, Louis Ferdinand Céline, Fjodor Dostoyevski und Arthur Rimbaud zur Sprache. Holst du für deine Texte viele Inspirationen aus Literatur?

Das kommt zwar vor, aber meistens schreibe ich dann in nur einer Verszeile eine Reaktion auf was ich in diesem Moment lesende bin. Ich werde nie einen Songtext schreiben der ein Buch zusammen fasst, was man zum Beispiel bei Lou Reed schon mal finden kann. Das ist nicht mein Ding. Kurt Cobain hat das übrigens auch einmal angedeutet dass er sich als Songwriter für faul halte als er für 'Scentless Apprentice' die Handlung von 'Das Parfüm' entnommen hatte. Dieses Gefühl kann ich vollkommen verstehen, damit dass wenn ich manchmal in meine Texte etwas von dem integrieren möchte, was ein Literaturautor zu sagen hat, versuche ich das sehr bündig zu machen durch die Verflechtung mit einem anderen Thema des Liedes.

Met den Schnipsel “I never voted for any religion, I never voted for any politician” wirfst du zu 'Mariner' resolut schon zwei soziale Säulen weg. Sind es noch übrig, zu denen du noch Vertrauen schenkst?

Die soziale Kraft die verschwunden ist, ist der Spiritualismus, und ich glaube dass wir durch die Zeit unsere Verbindung damit verloren haben.

Und die Relgion beziehst du darin nicht mehr mit ein?

Unbedingt nicht. Religion ist verkommen zu einer Art von instutitionalisierter Spiritualität die eine stark verwässerte Version ist dessen, was es sein könnte. Auf eine Weise die sich nur schwer eindeutig fastlegen lässt, deine Antennen ausrichten auf Dingen die vorhanden sind aber die man mit seinen Sinnen nicht wahrnehmen kann, und seinen Instinkten wieder mehr vertrauen lernen, spielen dabei eine große Rolle. Dieses Teil unserer Existenz nahm in früheren Zeiten einen wichtigeren Platz ein, und wurde meines Erachtens, unter anderem durch die Formalisierung und hierarchische Organisation der Religion, jetzt hauchdünn gemacht. Die Aufklärung mit ihrer Allmacht der Vernunft hat diese Tatsache später noch weiter untergraben, so dass wir heute fast keinen Kontakt mehr zu unseren spirituellen Instinkten haben. Meiner Meinung nach – und dann komme ich zur Kunst als sozialer Kraft – ist die Kunst, und darunter verstehe ich die wirklich wertvolle, derzeit das Beste was uns zur Verfügung steht, mit dem größten Gefühl dafür, obwohl ich vermute dass selbst diese viel schwächer ist als sie wahrscheinlich einmal war. Alle gesellschaftlichen Institutionen die wir aufgebaut haben, hatten eigentlich das Ziel uns von unseren unterbewussten, schlummernden Instinkten und unseren spirituellen Verbindungen abzulenken. Diese wiederherzustellen scheint mir die wesentlichste Funktion des künstlerischen Schaffens zu sein. Dennoch kann man nicht ignorieren dass wir selbst dort verwirrt werden von sowohl der Musikindustrie als auch den Medien die uns zu etwas drängen das kommerziell handhabbar ist. Langfristig macht man dann nicht länger Musik aus seinen Instinkten, und das ist mir doch sehr bedauerlich. Schließlich ist es das Einzige was uns noch bleibt, und wenn jeder auch da in einer rationalisierten Weise Dinge beginnt zu herstellen, scheint dieser wesentliche Aspekt des Menschseins mir zugrunde zu gehen. Und dann kommen wir wieder zu einer Ursache warum es mir so hart ist Sachen aufzunehmen: das hängt nicht davon ab dass ich bestimmte technische Voraussetzungen habe, sondern Voraussetzungen die unter die eben genannten Probleme fallen und die schwer eindeutig auszudrücken sind. Ich kann einzig mitteilen dass ich irgendwie eine instinktive Konnektion haben muss mit was ich erschafft habe, sonst gefällt es mir nicht, ohne genau erklären zu können warum ich eine bestimmte Aufnahme verwenden werde oder nicht.

Gibt es andere Artisten bei denen du das ebenfalls erkennst oder mit denen du dich generell verbunden fühlst?

Es stirbt jetzt etwas aus, aber in den letzten zehn Jahren ist es auf diesem Gebiet im Gitarrenrock tatsächlich sehr gut gewesen. Dann geht es jedoch um Musiker die selten oder nie im Radio gespielt werden, wie zum Beispiel The Pharmacy, GRÓA, together Pangea, Steal Shit Do Drugs und natürlich Priests (woraus man schließen kan wie sehr ich mich über die Zusammenarbeit mit Katie freue). Sprechen wir nur über diesen Instinkt, dann sage ich uneingeschränkt Teri Gender Bender! Wer Le Butcherettes jemals live gesehen hat, weiß worüber ich rede. Diese überwältigende Erfahrung hat mich allerdings sehr inspiriert, in dem Sinne dass sie, hinsichtlich der Intensität, eine Messlatte gesetzt hat, die ich nicht unterschreiten wollte. Vom Feinsten ist sie wirklich ein Medium und eine Naturgewalt die man, pur und unmittelbar, direkt vor seinen Augen mit ihren reinsten spirituellen Tentakeln ins Verborgene greifen sieht um das sowohl aus der Tiefe als auch vom Himmlischen ins Hier und Jetzt zu ziehen. Auf andere, geringer expressive Weise hat eine Band wie Tacocat, die als Ganzes in einer farbenfrohen Form total kraftvolle Aussagen macht, das auch. Außerdem denke ich noch an Thao Nguyen zu der ich eine starke Verbindung spüre, und an Shana Cleveland die eher introvert, kaum unterschwellig sehr beschwörende und intense Dinge macht. Eigentlich gab es uns im letzten Jahrzehnt nichts zu beanstanden, obwohl es alle Musiker sind die live nur ein paar Dutzend Zuschauer anlocken wenn sie in Belgien auftreten. Für mich ist es zugegebenermaßen großartig dies so kleinräumig zu erleben, aber gleichzeitig stimmt da irgendwas nicht wenn so wenige Leute genauso heftig davon getroffen werden. Abschließlich darf ich gewiss nicht vergessen große Namen wie Kurt Cobain, Viktor Tsoi und Ali Farka Touré zu erwähnen, und, um noch einige Autoren dabei zu nehmen, möchte ich auch Lulu Wang und William S. Burroughs zur Liste anfügen.

Hast du eigentlich Techniken entwickelt die du anwenden kannst um diese verlorene Verbindung mit dem Spirituellen für dich selbst wieder zu herstellen?

Dafür muss ich immer lange alleine sein, und bei mir klappt das Spazieren gut. Wenn man dann mental in den Rhythmus seiner Schritte kommt, wird man nach einer Weile nicht mehr merken dass man läuft, und spürt man nur seine Gehirnwellen im Puls in dem man geht. Anfänglich ist dein Verstand noch sehr aktiv mit all deinen täglichen Sorgen beschäftigt, denn wenn man das lange genug macht, kann man diese loslassen und verschwinden alle bewussten Gedanken, und dann kommt der Moment in dem scheinbar zufällige Sensationen, die sich manifestieren und scheinbar aus dem Nichts geistlich auftauchen, in deinem Kopf schwirren. Das ist immer der Punkt den ich erreichen möchte, besonders wenn ich Texte schreibe. 

 


Und diese können dich dann überraschen?

Ja, manchmal bringen sie mir sogar zum lachen, und bin ich mir nicht sicher ob ich sie jedoch aufschreiben soll. Letztendlich mache ich das dann sowieso, denn wenn es in diesem Moment hereinkommt, verspüre ich einfach den starken Drang es zu notieren. Oft kommen dann viele skurrile Dingen an die Oberfläche die dafür sorgen dass in meinen Texten ziemlich komische Sachen passieren.

Und glaubst du dann dass diese Wörter irgendwann aus deinem Inneren kommen durch den Geisteszustand in den du dich versetzt, oder wird das Material von Außen zugeführt?

Eine Kombination aus beidem. Es hat sowieso eine Grundlage in mir selbst, weil es oft um Dinge geht, mit denen ich selbst konfrontiert wurde, aber die Art und Weise wie man es sagt oder die Verbindungen die hergestellt werden, sind oft so irrational dass ich nicht glaube dass sie meine sind, es sei denn natürlich, eventuell meines Unterbewusstseins, aber keineswegs meines bewussten Selbsts. Eigentlich versuche ich so oft wie möglich dorthin zu gelangen dass die Lieder zwar eine Basis in meinem persönlichen Leben haben, aber dass sie sich nicht darauf beschränken. Ich werde nämlich nur zufrieden sein, wenn zudem ein Einfluss von Außen oder ganz tief im Inneren auftaucht. Dieses Bestreben um Kontakt zu suchen mit der immateriellen Welt und der Glaube dass Elemente von dort sich in die Songs einschleichen, ist übrigens auch worauf der Titel 'Message from the West' sich bezieht.

Was hältst du von King Buzzos Aussage dass Songstruktur im Idealfall völlig frei ist?

Ich denke dass man zumindest grundsätzlich in einem bestimmten Format arbeitet; womit ich mir jetzt angeblich wohl widersprechen werde im Zusammenhang mit diesem Instinkt. Ich bin namentlich ein großer Anhänger von Strophen und Refrains. Manchmal kann ich natürlich davon abweichen, indem ich eine atypische Struktur, oder sogar fast keine, verwende, wenngleich es für mich jederzeit catchy bleiben muss. Daher bin ich zum Beispiel ein enormer Fan von Ray Davies' Werk in den 60er Jahren, wann er oft wirklich eingängige Songs herausbrachtet die, wenn man einmal durchhört, nicht komponiert sind nach einer klassischen Strophe-Refrain-Strophen-Struktur. Ein Teil von mir behält auch immer John Lennons Aussage im Hinterkopf dass wenn man es nicht in einem zweiminütigen Lied zum Ausdruck bringen kann, es sich die Mühe nicht lohnt. Eigentlich ist das ziemlich bemerkenswert, denn obwohl ich gerade über Spiritualität sprach, mag ich, abgesehen davon, Verse und Refrains einfach total, worüber ich sogar finde dass man in der Lage sein sollte dazu mitzusingen. Darauf arbeite ich zielstrebig hin, auch wenn ich denke dass es irgendwie oft eine unkonventionelle Wendung erhält.

Wenn du eine Platte veröffentlichst, fühlt es sich dann an als hättest du aus nichts als abstrakten Konzepten (Wörtern und Noten) etwas Greifbares geschaffen?

Eigentlich nicht, weil ich lieber eine Parallele ziehen würde zu was ein Bildhauer tut, namentlich ein Ergebnis aus einem physischen Kampf mit dem Material ableiten. Es gibt schließlich immer eine Gitarre und es gibt meine Finger die sich über die Saiten bewegen, und diese Interaktion zwischen Musiker und Instrument ist immer der Anfang. Ich glaube irgendwie nicht dass Songwriting etwas rein Konzeptuelles ist. Vielleicht ist es möglich, wie Beethoven, der Musik machte ausschließlich auf der Grundlage dessen was in seinem Kopf vorging, aber es funktioniert bei mir nicht so. Meine Ansicht ist eher dass das Geistige oder Spirituelle eindringt durch materiellen Kontakt mit einem Instrument, das in gewisser Weise deine Eingangstür dazu ist. Und nachdem ich mit der Musik fertig bin und mit dem Schreiben der Texte beginne, scheint mein Körper dann der physisch beobachtbare Punt zu sein in den die Ideen eintreten, anstatt dass sie schon im Voraus in meinem Kopf herumschwirten. Ich glaube also dass man immer eine Materialität braucht, eine Art Antenne die als Kontaktpunt für eine Idee dient.

Um den Faden von Coleridge und seinem 'Rime of the Ancient Mariner' wieder aufzunehmen: Sprich mal aus der Sicht des ancient Mariners als Archetyp des Künstlers; warum will er unbedingt seine Geschichte erzählen, und welchen Effekt will er erzielen?

Diesen konkreten Fall kann man oberflächlich betrachtet natürlich in einen religiösen Kontext einordnen, obwohl ich das wenig übnerzeugend finde. Dass der Protagonist eine Hochzeit auswählt um über die Erlösung des Gebets zu predigen, verleiht es tatsächlich eine missionarische Atmosphäre. Ebenso kann man darin eine John-Fante-ähnliches Geständniss erkennen um die Bürde die er trägt zu beseitigen. Als er zurückkam hoffte er namentlich Rettung zu finden bei einem Einsiedler, der bald einfach abhaut, und dann beginnt er willkürlich jedem, den er trifft, seine Geschichte zwanghaft zu wiederholen. Was ich jedoch eine viel faszinierendere und wahrscheinlichere Erklärung für die Absicht des Autors halte, ist den Seefahrer zu sehen als Allegorie für den kreativen Künstler. Er allein hat etwas auf der anderen Seite der Realität wahrgenommen, etwas das rational nicht möglich ist. Diese Tatsache gibt ihm eine einzigartige Gabe und diese möchte er um jeden Preis umsetzen. Seine übernatürlichen Erlebnis möchte er wie besessen mit der Menschheit teilen, wenngleich er nicht weiß weder es Auswirkungen haben wird oder nicht, noch ob jemand ihm sogar nur glauben würde. Das ist ihm auch komplett egal, denn schließlich verschwindet er auch wie Lucky Luke im Horizont während sich alle - bevor schnell wieder in ihren Alltag zurückzukehren - immer noch fragen wohin er gegangen ist. Er möchte lediglich das Mysterium, das offenbart wurde und das für ihn ebenso konkret ist wie das empirisch Beweisbare, enthüllen und verbreiten, und er wird sogar nicht abwarten wie die Reaktionen ausfallen. 

 


Kannst du eine Parallele zu deiner Musik ziehen? Warum schreibst du Songs und was soll der Zuhörer davon haben?

Teilweise erkenne ich mich in Letzterem wieder. Ich bitte den Zuhörer auch nie für eine Meinung. Zuendlich kreiere ich Dinge weil ich etwas sagen möchte. Natürlich hoffe ich insgeheim dass jemand etwas daraus mitnimmt, obgleich versuche ich mich so wenig möglich darum zu kümmern wenn das nicht der Fall ist. Der Ursprung der Schöpfung liegt in einem großen inneren Drang, den ich nicht erklären kann, weshalb alles was ich zum Thema in mir habe so kompakt und solide wie möglich gebündelt wird. Dass ich beim Schreiben kaum Rücksicht darauf nehme, was die Leute darüber denken werden, erzeugt etwas gemischte Gefühle. Einerseits bleibt das Ausdrücken einer Idee so total rein, aber anderseits kann es zu ein wenig Frustration führen, wenn keine in sich aufnehmen was ich für selbstverständlich halte. Störte es mich stärker, würde ich mich mehr darum kümmern, es dem Zuhörer leichter zu machen, vermute ich, auch wenn ich gleichzeitig merke dass ich zum Beispiel beim Auftreten Energie bekomme von den Zuschauern. Es lässt mich auf jeden Fall nicht ganz unberührt.

Ist es für dich eine Option, Songs aufzunehmen und diese dann einfach für dich zu behalten und nicht in die Welt hinauszulassen?

Das würde ich nie machen, und das liegt vor allem daran, dass ich möchte, dass es eine Auswirkung gibt, die zwar nicht unmittelbar muss sein. Ich möchte namentlich nicht, dass es völlig verloren geht und für niemanden nie von Nutzen ist. Es ist möglich, dass gerade zum Beispiel keine Leute es sich anhören oder mögen, aber es wird trotzdem existieren um in Zukunft, eventuell sogar noch nach hundert Jahren, entdeckt zu werden. Es geht um spirituelle, ideelle Sachen die in meinem Gehirn herumschwirren, und in dem Moment, in dem mein Bewusstsein nicht mehr da is, möchte ich, dass etwas davon weiterhin bestehen bleibt.

Im nachhinein scheint das Zurückfinden der Verbindung zur Spiritualität nahezu das Leitmotiv deiner zweiten CD 'Fucking Off' zu sein.

Viele dieser Lieder habe ich in den Schweizer Bergen geschrieben, erinnere ich mich jetzt, genau wie 'Canyon', das ich live bereits gespielt habe, aber das erst später auf einem Träger erscheinen wird. Ich hatte dort damals eine tägliche Wanderroutine entwickelt, und ich geriet immer wieder in eine Situation dass ich aus großer Höhe alles überblicken könnte, oft während ich der Erschöpfung nahe war, und dann saß ich mich irgendwo hin, und viele dieser Songs begannen dann in meinem Kopf zu dröhnen und summen, und Textfragmente drangen in meinen Geist ein. Wenn du es gerade so sagst, könnte es durchaus so sein, dass diese hauptsächlich um das genannte Thema gehen. Wo es dort jedoch expliziter ist, könnte es genauso gut sein, dass überhaupt vieles von dem, was ich mache, damit zu tun hat, oder zumindest irgendwo unter der Oberfläche lauert.

Stimmt; ich musste auch zurückdenken an den Titelsong von Grant Moff Tarkins 'Long Lost Son' wo man das Textfragment “to streamline thoughts with concrete science” finden kann.

Das war sowieso das Album, bei dem ich erstmals sehr bewusst mit Lyrics beschäftigt war. Vorher war es eher ein Mischmasch, den ich gut klingen fand. Wo in Grant Moff Tarkin die stimmigsten Texte wohl von Julax kamen, habe ich langfristig mehr gearbeitet mit automatischem Schreiben und Cut-Ups von isolierten Phrasen, bei denen die Lautkombinationen Vorrang vor der objektiven Bedeutung hatten. Seit 'Long Lost Son' habe ich angefangen Lieder zu schreiben vom Drang etwas zu erzählen das aus meinem Inneren kommt. Vielleicht kommt es nicht immer so rüber, aber für mich sind das von der Story her kohärentere Songs. Auf dieser Platte steht übrigens 'Sabah' mit der Texzeile “It's in my blood, parasiting on a fool's desire”, was, im Zusammenhang mit the Ancient Mariner, über den wir gesprochen haben, eigentlich eine angemessene Antwort gibt auf die Frage, warum dieser das alles macht. 

 


Gibt es jetzt, wo alles schon eine Weile hinter dir liegt, eigentlich noch etwas, das du über Grant Moff Tarkin erzählen möchtest?

Dass wir sicherlich eine unglaublich besondere Band waren. Vor allem in der Anfangsphase, als alles frisch und neu war, hatten wir eine großartige Zeit. Mit Dvd und Basement C als Rhythmusgruppe lag eine einzigartige Magie in der Luft die man nur once in a lifetime begegnet, und von der ich offensichtlich bedauere dass sie niemals zurückkehren wird, und nach der ich ziemlich Heimweh habe. Höchstwahrscheinlich war es auch nicht möglich, dieses Gesammterlebnis vollständig auf Platte festzuhalten, aber selbstverständlich komme ich jetzt zu dem Schluss dass die Auswirkung zu gering ist. Schließlich haben wir mit dieser Besetzung nur eine EP gemacht – Dvd drummt sogar nur auf der Hälfte davon – und weiter einzig noch einige Demos. Eigentlich ist es uns nie gelungen, die Magie dieser Zeit für die Ewigkeit einzufangen.

'Fucking Off' entfernt sich, nach deinem Debüt, ausdrücklich vom Lo-Fi-Ansatz. Sie klingt kristallklar, und entwickelt sich, gespickt mit raffiniert ausgearbeiteten Beats, von kraftvoll und energisch zu eher nachdenklich atmosphärisch.

Das ist die einzige Slow Bear-Ausgabe, die ich bisher in einem echten Studio aufgenommen habe, d.h. in De Studio in Asse mit Dirk Miers hinter den Knöpfen. Es war nie meine Absicht alles immer ganz Lo-Fi zu machen, und mit Dirk hatten wir zuvor bereits schon zusammengearbeitet mit Grant Moff Tarkin, wodurch ich also wusste, dass er genauso ein Profi ist wie Jemand, der einer Trance anschließen kann und sich so ungewöhnliche Dinge einfallen lassen kann. Er hat insbesondere den Mut über den Tellerrand zu schauen wenn nötig. Definitiv nach 'Pale Morning Fades', wobei der Ansatz sehr Lo-Fi war, musste ich mich für das Gegengewicht entscheiden und etwas machen das in größerem Maßstab ausgearbeitet wurde. Jetzt habe ich das übrigens wieder, nach diesen beiden Platten die ich selbst zu Hause aufgenommen habe mit den begreznten Ressourcen die mir zur Verfügung stehen, und Katie, die daraus im Mix etwas ganz besonderes macht. Ich verpüre doch wieder den Drang etwas mehr nach Vorschrift aufzuzeichnen, und überlege ernsthaft abermals mit Dirk loszulegen. Wie ein Pendel das sich von einer Seite zur anderen schlängelt, navigiere ich ständig zwischen den beiden: es darf Lo-Fi sein aber nicht immer, und es darf beeindruckend klingen wenn auch nicht übermäßig glatt. 

 


Qua Ausschmückung ist dieser Platte vielleicht die vielfältigste?

Das meiste davon trägt Dirks oder meinen Stempel. Ich glaube dass keiner der Beats die man hört digitalen Usrpungs ist. Mit uns beiden klopften wir auf alles was verfügbar war, bis einschließlich die Wände des Aufnahmeraums, nahmen den Ton davon auf, und bearbeiteten diesen anschließend im Mix. Nach dem Starten des Bandes, haben Dirk und ich 'Spirit Broken' zusammen live eingespielt, Dirk auf dem Klavier diesen einen sich wiederholenden Akkord und ich den Gitarrenpart. Ich habe übrigens alle Gitarren eingespielt, sowie Klavier (also bis auf diese eine Sequenz) und Keyboard. Weiter machte nur noch Christophe Vandewoude seine Aufwartung. Er ist unter anterem verantwortlich für die catchy Hookline am Bass des Titelsongs. Er kam während der Aufnahmen für ein oder zwei Stunden vorbei, ohne mit den Liedern allzu vertraut zu sein. Er hat eine Weile daran herumgejammt, und bei einigen wurde es zu einer Sache, wie das fuzzy Bassgroove auf 'Drowned', und bei anderen kam es zu nichts. 

 

Schon ziemlich bald nach der Gründung von Slow Bear, hast du auch begonnen die Poesie von Marina Kazakova musikalisch zu unterstützen. Dies beschah nicht nur live, sondern führte auch zu einem Video. Außerdem erscheinst du im Soundtrack einiger Animationsfilme. Kannst du in solchen Projekten dich selbst immer noch genug ungehemmt ausleben oder stellst du alles in den Dienst des Initiators?

Dass ich einen großen Teil meiner selbst dafür investiere, ist unvermeidlich. Vollständig mit dem Hintergrund verschmelzen, kann ich einfach nicht; ich bin kein Session-Musiker, der auf Befehl eine gewünschte Klangfarbe oder Tonalität erzeugen kann. Andere können das besser. Wenn ich für solche Sachen gefragt werde, weise ich sofort darauf hin, dass sie die Musik als gleichwertige Ebene zum Text oder dem Visuelle betrachten sollten, denn sonnst werden meine Kräfte nicht ausreichend genutzt sein. Selbst wenn ich versuchen würde wie ein ausgebildeter Komponist vollkommen im Dienste von zu schreiben, würden sie dazu zwangsläufig immer einen Teil der Kreativität bekommen. Es war jederzeit eine Vereinbarung im Voraus, wobei ich stets davon überzeugt war, dass ich etwas Interessantes dazu beitragen könnte, auch wenn es nie genau das sein würde, was sie sich vorgestellt hatten. Im Gegenzug empfinde ich dadurch auch große Befriedigung, also für mich steckt ebenfalls mehr dahinter als das Endergebnis an sich. Insbesondere mit Marina war es irgendwie befreiend, dass ich mir die Texte nicht ausdenken musste. Das Schreiben von Musik fällt mir sehr leicht, aber Texte verfassen ist doch oft schuften. Zugegebenermaßen bin ich davon überzeugt, dass ich es gut kann, aber das kostet mich viel mehr Konzentration, Energie und Zeit. Manchmal grübele ich von einer Situation wie die von Mozart, der diesen Teil ganz verzichten könnte. In diesem Zusammenhang spielte ich einfach unverbindlich Gitarre, und wenn da etwas herauskam, schickte ich das an Marina, und wenn sie dann dachte, dass Stücke zu ihren Worten passten, benutzte sie diese, ansonsten behalte ich sie für mich selbst um später Texte hinzu fügen, wodurch es ein längerer Prozess sein wird, bis aus dieser musikalischen Idee etwas Konkretes kommt in Form eines fertigen Liedes. Schließlich ist es, wie gesagt, nicht selbstverständlich einen guten Songtext zu schreiben.

Außerdem habe ich für Ilse Colemonts Animationsfilm 'Beest', ein Studentenproduktion, von dem ich eigentlich nicht weiß ob er auf vielen Festivals gezeigt wurde, zusammen mit Dirk Henrotay, ein Animator der auch ein sehr guter Schlagzeuger (bei Candlebags) ist, einen Soundtrack beieinander gejammt. Wir haben Ilse die Ideen, die in einer freien Session entstanden, vorgestellt, woraufhin sie die Parts auswählte, die sie im Film verwenden konnte. Diesmal musste ich nicht einmal eine Melodie haben, oder zumindest nur eine sehr begrenzte, und dann könnte ich einfach gedankenlos Gitarre spielen. Auf diese Weise einen Soundscape zu erschaffen, ist etwas, was ich alleine sehr selten mache. Man hat mich schon regelmäßig gebeten, in diesem Sinne ein ganzes Album zu gestalten, aber persönlich finde ich es nicht interessant genug um das herauszustellen, egal wie viel Spaß es macht um es zu tun. Wo ich normalerweise mental am Format eines Songs festhalte, finde ich es als Unterstützung bei einem Film jedoch können, weil die Zuschauer doch eher in die Geschichte involviert sind. So war es übrigens auch bei dem Video mit Marina; ich spiele dann unverbindlich auf meine elektrische Gitarre, was ich an sich schon amusant finde, aber für mich selbst nie tun würde. Und nur deshalb tut es mir schon gut an solchen Projekten mitzuwirken. 

Dann bleibt noch 'Rising in a Spiral' übrig, was ursprünglich sogar konzipiert war als Musikvideo für einen Slow Bear-Song. Wenn allmählich die Animationen erstellt wurden – dies von drei oder vier verschiedenen Animatoren, was dazu führte, dass der Film in Blöcke unterteilt wurde – habe ich die Reihenfolge des Liedes etwas gewechselt, je nachdem was zu welchen Bildern passte, infolgedessen die anfängliche Strophe-Refrain-Strophe-Struktur vollständig verschwand. Wie in jedem der oben genannte Fälle, fand ich es interessant zu Dinge zu kommen, die ich alleine nicht erstellen würde, und war es befreiend um vorübergehend aus meiner eigenen Form heraustreten zu können.

Du bist mit Marina bereits in London und Italien auftreten gegangen (unterstützend und eigenes Set), letztes Jahr bist du als Slow Bear durch Osteuropa getourt, und du hast zudem schon in Deutschland, den Niederlanden und Finnland gespielt. Deine Musik bringt dich an viele Orte.

Ich habe sogar in der Karibik gespielt. Und mit Grant Moff Tarkin auch in Frankreich und Spanien. Das hängt oft von den Umständen ab. Wenn ich irgendwohin komme, um jemanden zu besuchen, schaue ich meistens auch, ob ich dort nicht auftreten kann. Manchmal muss man Glück haben, dass sich die Veranstalter die Mühe machen, deine Musik zu hören, weil sie auch wissen dass du nicht unbedingt die Massen mobilisiert wenn du nicht regional bist. Gleichzeitig macht es das Auftreten selbst jedoch lohnender, denn du weißt, dass diejenigen die da sind spezifisch wegen der Musik gekommen sind. Und dann hast du selbst im Griff, ob du interessant genug bist oder nicht.

Welches Genre würdest du eigentlich deiner Musik zuordnen?

Was auf meiner Webseite steht, finde ich an sich immer noch zutreffend: “diy-inspired psychfolk”, auch wenn das vielleicht zu wenig beschreibt dass darin total viele Pop-Einflüsse der 60er Jahre enthalten sind, und es etwas zu sehr den Eindruck erweckt dass alles sehr psychedelisch ist. Wahrscheinlich würde ich es jetzt lieber beschreiben als “folkige Sixties-Songs mit Grunge-Einflüssen.”

Das zuvor erwähnte 'Normandy and me' vermittelt auf den ersten Blick eine klare Friedensbotschaft. Von der anderen Seite signalierst du in deinen Texten allerdings dass du dagegen eigentlich einegermaßen machtlos bist, und dass dir dann nur noch bleibt so zu tun als wäre alles in Ordnung. Gibt das etwas einen Hinweis darauf, wie du das Leben angehst?

Es ist einfach kein Frieden, un das kann ich nicht ändern. Das Beste, was ich dann unternehmen kann, ist in meiner eigenen kleinen Welt etwas versuchen zu bewirken, und im Kleinen eine bessere Umgebung probieren zu schaffen. Es ist ein bisschen wie Voltaires Candide der nach all seinen Irrfahrten zu dem Schluss kam das “cultiver votre jardin” ein erstrebenswertes Ziel ist. Nur weil man im großen Stil keine großen Wirkung erzielen kann – denn schließlich ist man lediglich einer der acht Milliarden Menschen die die Erde bevölkern – heißt das nicht, dass man zynisch werden sollte und nichts unternehmen sollte. Dann würde ich lieber einen kleinen, auf das Gute ausgerichteten Unterschied machen, als gar keinen Unterschied zu machen. 

 


Du hast bereits angegebenn, dass du für das nächste Album eventuell wieder ins De Studio gehen wirst, aber gleichzeitig hast du auch eine neue Zusammenarbeit mit Katie nicht ausgeschlossen. Hast du schon konkrete Pläne für die Zukunft mit Slow Bear?

Zuerst mir mehr Zeit nehmen um mich endlich mal zu beschäftigen mit dem Rückstand vom Aufnehmen. Die Hälfte der Songs, die wir live spielen, gibt es sogar noch nicht auf CD. Ich habe jedenfalls noch Material für mehrere Alben im Regal. Wir haben inzwischen auch schon einige Basislagen von Songs aufgezeichnet in Krefeld bei DOA Sounds. Er ist ein Hip-Hop-Producer der uns schon mehrmals live gemixt hat, und der anhand dieser gefragt hat ob er einen Dance-Remix von 'Hippie Hustle' machen könnte. Daran arbeitet er schon eine Weile, wodurch wir mit einander in Kontakt gebleben sind, und so ist es passiert dass wir begonnen haben dort auch einige andere Lider aufzunehmen. Ob es tatsächlich zu einem konkreten Ergebnis führt, wird die Zeit zeigen. Und ansonsten habe ich eigentlich immer wenig geplant. Ich arbeite selten auf etwas Bestimmtes hin. Ich schaue lieber an was meinen Weg kreuzt und versuche dann damit zu interagieren. So kam es auf jeden Fall zur Zusammenarbeit mit Marina, ebenso als wieder mit Basement beginnen zu spielen und das Mitarbeiten an den Soundtracks für diese Filme. Es passt mir am besten um nicht zuviel nachzudenken über zu erreichende Ziele und mich nicht zu sehr unter Druck zu setzen diese Platten zu machen. Schließlich hat die Realität mich schon gelehrt, dass es oft doch nicht klappt. Jetzt versuche ich deshalb eher in einen Flow zu kommen, und zu sorgen dass ich darauf bleiben kann, und dann passiert was passieren wird... 

 


 




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